Im reich der Knoten: Der Kunstteppich aus Nepal

Teppich-Projekt 2021-2022

Die Gegenwartskunst hatte den Teppich fast völlig aus den Augen verloren – doch mittlerweile rollen immer mehr Künstler*innen das Medium neu auf.  Auch ich wollte schon lange ein Bild in einen Teppich übersetzen, und Dinge wie Haptik und Materialität erkunden. Die Galerie Sels in Düsseldorf zeigt das Unikat zurzeit, nach einer Vorlage in einer Teppich-Manufaktur in Kathmandu handgeknüpft. Und als  Künstlerin staune ich, welche Wellen der Teppich, ein anachro­nis­ti­scher Prozess, in digi­ta­len Zeiten schlägt. 

 

Die Gäste der Ausstellung ‚Plant me a garden’ stolpern geradewegs über den Teppich, der auf dem Boden liegt und die Besucher*innen gleich am Eingang begrüßt. Viele Kunstwerke hängen an der Wand, der ungewohnte Platz zieht die Blicke wie von selbst auf sich.  Das Kunstwerk mit den organischen Formen  würd ich beschreiben als  „abstrakte Malerei, die ihren Ausgangspunkt in Pflanzen, Blüten und Wiesen in der Natur findet. Dabei arbeitete ich sowohl figu­ra­tiv als auch abstrakt.

 

 

 

Teppiche sind für mich künstlerische, zeitgemäße Medien und ist es nicht so, dass alle Kunst einmal ‚zeitgenössisch’ war? Teppiche inspirieren  seit jeher Künstler*innen, oft verbinden sie Knüpftraditionen mit zeitgenössischen Perspektiven. Ein prominentes Beispiel ist Gerhard Richter mit seinen gewebten Tapisserien aus dem Jahre 2009.

 Ich sehe mich aber nicht als Teppichkünstlerin, eher  als künstlerische Forscherin, erkunde Dinge und suche die mehrsinnliche Auseinandersetzung. Auch  mein Professor Fritz Schwegler hat sich als Künst­ler nicht festlegen lassen. Nach dem Abschluss an der Kunst­aka­de­mie richtete ich meinen Blick auf Kunstbücher und Male­rei. Zurzeit setzte ich mich aus unterschiedlichen Sichtweisen mit Natur und Wissenschaft auseinander. In den Arbeiten erforsche ich die Wirkung und den architektonischen Aufbau von Pflanzen.

Die Galerie Sels präsentiert den Teppich jetzt zum ersten Mal in ihren Räumen im Herzen der Düsseldorfer Carlsstadt, wo er eine eigene Präsenz entwickelt. Der Teppich ist sehr raumgreifend und die Galerieräume von Clara Sels, in meinen Augen mit die schönsten der Stadt, schaffen einen idealen Platz, um in großzügiger Atmosphäre die Wirkung des Teppichs mit allen Sinnen zu erfassen.

Den Schaffensprozess, wie die abstrakte Kunst auf den Teppich kommt, würde ich so beschreiben: Ich fertige die Arbei­t im Atelier im Künstlerhaus Salzmannbau an, dann wird diese digitalisiert. Im nächsten Schritt gebe ich diese Datei an einen Teppich­ma­cher weiter. Der Kontakt entstand über die Mutter eines Freundes, die häufig schon nach Nepal gereist ist und diesen lokalen Reiseleiter kennt. Wir haben dann eine Weberei in Kathmandu gefunden, die nicht nur Erfahrung und das Wissen mitbringt, sondern auch Ethik und Nachhaltigkeit in Einklang bringt. Über diesen persönlichen Ansprechpartner, der wortwörtlich vor Ort die Fäden in der Hand hält, ist eine echte Deutsch-Nepalesische Zusammenarbeit entstanden.

Einige Monate dauert es im Schnitt, bis ein solcher Nepal-Teppich in reiner Handarbeit fertiggestellt ist. Durch die Corona-Situation – Lockdowns, Schließung der Produktionsstätten und Coronaerkrankungen inklusive – dauerte das Ganze fast anderthalb Jahre. Doch das Warten hat sich gelohnt, finde ich.  Der Moment war extrem spannend, als ich das schwere Paket mit dem Teppich öffnete. Denn es war ja ein Experiment, ich wusste nicht, ob und wie sich die abstrakte Malerei, die verschiedenen Farben übertragen lassen würden. Umso begeisterter bin ich über das Resultat, die Präzision und Qualität des Teppichs, und alles auf althergebrachte Weise hergestellt. Die Fotos auf der Webseite hier geben vielleicht  einen Eindruck davon.

Jeder Arbeitsschritt, vom Spinnen über das Färben bis zum Finishing, wird in Handarbeit ausgeführt. Das Vorbereiten des Knüpfstuhls, das Spannen der Fäden, das Knüpfen, das Nähen, das Mischen der Farben, das Waschen und Trocknen. Die Knüpfer*innen realisieren alles mit traditionellen Werkzeuge wie Kamm, Schere, Hammer, Klinge und Eisenstäben.

Das Echo auf den Kunstteppich ist da, das Objekt löst Einiges aus bei den Besucher*innen – vielleicht auch, weil er in Zeiten von Zoom Konferenzen, virtuellen Weinproben und digitalen Ersatzwelten mit seiner Stofflichkeit eine Wirklichkeit konstruiert. 

Dieses Projekt war für mich eine aufregende Reise ins Unbekannte. Und ich werde definitiv weitere Bilder als Teppiche umsetzen. Und eine Reise zu den Knüpfer*innen in Kathmandu, um sich persönlich zu bedanken, ist auch geplant. Wenn Corona es wieder zulässt.

Impressionen